Kanadier beuten griechische Goldminen aus
Dienstag, 10.04.2012, 12:08 · von FOCUS-Redakteur Michael Odenwald
Betreiber der Minen sind der kanadische Bergbaukonzern Eldorado und seine griechische Firmentochter Hellas Gold. Wie die in Brüssel ansässige Umweltorganisation „Ejolt“ berichtet, heuerten die Firmen einige 100 Arbeitslose aus der Region an, denen sie angeblich 1600 Euro pro Kopf zahlen. Für die arme Landbevölkerung ist das sehr viel Geld. „Ihr erster Job: Die Demonstranten vertreiben, die den Wald und die Wasserreserven schützen wollten“, berichtet Ejolt. Tatsächlich prallten am Eingang zum Minengelände Gegner des Projekts mit knüppelbewehrten Firmenmitarbeitern zusammen, die Unterstützung von einer Spezialeinheit der Polizei erhielten. Dabei wurden 15 der Demonstranten verletzt, einer von ihnen schwebt laut Ejolt in Lebensgefahr.
Knechte ausländischer Konzerne
Handgreifliche Auseinandersetzungen gab es auch im nahen Ort Ierissos. Dort hatten Bürgermeister Christos Pachtas und sein Stellvertreter Vassilis Moschopoulos in lokalen und nationalen Medien die Naturschützer nach bekanntem Muster als „ausländische anarchistische Elemente“ und „Ökologisten“ beschimpft. Die aufgebrachten Dorfbewohner setzten die beiden daraufhin im Rathaus fest und warfen ihnen vor, als „Knechte ausländischer Konzerne“ den Ausverkauf der Schätze des Landes zu betreiben. Ihre Heimat werde dabei durch die Rückstände der Goldproduktion zu einer Giftmülldeponie.
Gold, Silber, Erdöl: Griechenland ist reich an Bodenschätzen
„Das Land ist übersät von Gold, Silber und anderen gefragten Mineralien, die die Welt regieren, einschließlich Erdöl“, urteilt der Runnymede-Experte Nick Meynen. „Es ist fast spaßig, dass dies niemand erwähnt, wenn in den Medien über die Schulden des Landes diskutiert wird, von denen sowieso niemand erwartet, dass sie zurückgezahlt werden.“ Bei den in Griechenland praktizierten privat-öffentlichen Partnerschaften handle es sich „um die gleiche betrügerische Masche, die öffentliches Vermögen von seinen rechtmäßigen Besitzern in die Taschen der Eliten lenkt.“
Wald und Wasser privatisieren
Tatsächlich drängen die EU sowie der Internationale Währungsfonds (IWF) die griechische Regierung, öffentliche Güter wie die Wälder und das Wasser zu privatisieren. Oft gehen sie zu Schleuderpreisen an große Konzerne. Bereits im Februar 2001 hatte sich ein griechischer Abgeordneter des Europaparlaments nach der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Projektierung der Goldminen auf der Chalkidiki-Halbinsel und den durch den Abbau-Betrieb drohenden Umweltschäden erkundigt. „Doch die EU antwortete nur mit der Aufforderung, den Verkauf der öffentlichen Güter zu beschleunigen“, klagt Ejolt. „In Griechenland wird die Krise nicht genutzt, um eine auf Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beruhende Gesellschaft zu formen.“ Das mit dem Abbau der Bodenschätze verdiente Geld fließe aus dem Land, mit ausländischen Konzernen als Profiteure. Der Dreck aber bleibe im Land und die Griechen blieben auf den langfristigen Kosten der Umweltzerstörung sitzen.
Die dürften erheblich werden. Dem Branchendienst „Goldinvest“ zufolge soll die Goldförderung im Projekt Olympias noch im zweiten Quartal 2012 beginnen. Im laufenden Jahr sollen dort 350 000 Tonnen Gestein zermahlen werden. Es enthält 49 000 Tonnen Pyritkonzentrat, in dem sich wiederum 20 Gramm Gold je Tonne befinden. Das heißt, aus der gewaltigen Erzmenge lassen sich nur 980 Kilogramm des Edelmetalls gewinnen.
Skouries und Olympias sind erst der Anfang
Eldorado und Hellas Gold begannen mit Bohrungen für eine Reihe weiterer Minenprojekte, darunter Perama Hill im griechischen Landesteil Thrakien und Piavitsa nahe Olympiadas. „Insbesondere in Perama wird das Leben der Einwohner zur Hölle werden“, fürchtet die Bürgerinitiative „Hellenic Mining Watch“. „Das könnte sie veranlassen, ihre Dörfer zu verlassen, ohne Entschädigung durch den Konzern. Denn dort ist die Mine nur 500 Meter vom Ort entfernt. Die Sprengungen lassen jeden Tag die Häuser erzittern, und Staub sowie giftige Dämpfe aus den Becken mit Gesteinsschlamm machen den Menschen zu schaffen.“ Landwirtschaft und Viehzucht würden schwer beeinträchtigt.
Die Abbaumethode ist billig und gefährlich
All dies sei nur möglich, so die griechischen Minenbeobachter, weil die Konzerne wie die Kolonialherren auftreten können und immun bei Gesetzesübertretungen seien, aus Gründen des „nationalen Interesses“. Weil in den Bergbauregionen andere wirtschaftliche Aktivitäten nicht möglich seien, fehle es an alternativen Entwicklungen wie archäologischem oder ökologischem Tourismus, auch die Infrastruktur werde vernachlässigt.
Ausbeutung öffentlicher Güter
„Man könnte meinen, diese Geschichte spielt in Lateinamerika“, kommentiert die griechische Bürgerrechtsorganisation „Kinisi136“, die sich dem Kampf gegen die Verschleuderung öffentlicher Güter verschrieben hat. Zu den Projekten, gegen die sie angeht, gehört auch die geplante Privatisierung der Wasserversorgung von Thessaloniki. „Was ist der Unterschied zu den Vorgängen in Bolivien, Argentinien und Mexiko? Wir sagen: keiner. Es ist der gleiche Kampf, den wir mit den Menschen teilen, die ihre natürlichen Güter gegen die Ausbeutung durch Privatfirmen verteidigen“.
Geld rausziehen, Land verwüsten
Nach Ende der Bergbauaktivitäten lassen die Konzerne dann verwüstete und ausgeräumte Landschaften zurück. Beliebt ist auch der Trick, lokale Tochtergesellschaften, die für die Beseitigung der Folgeschäden verantwortlich wären, in den Konkurs zu schicken. So geschah es auch in Baia Mare. Um Entschädigungszahlungen zu vermeiden, meldeten die Besitzer für ihre Betreiberfirma Aurul Konkurs an – nur, um kurz darauf unter neuem Namen weiter zu machen. Die Trickserei hatte Erfolg: 2008 verlor der ungarische Staat einen Prozess gegen Aurul mit der Begründung, es gebe keinen juristisch Verantwortlichen mehr. Auch die Geschädigten vor Ort gingen leer aus.
Kostengünstige Goldförderung ohne Rücksicht auf Verluste
Eine ähnliche Entwicklung, argwöhnen die Naturschützer, könne es auch in Griechenland geben. Sicher ist, dass der Bergbaukonzern Eldorado an allen Ecken und Enden spart. Laut Goldinvest verkündete die Firma, die auch in der Türkei, China, Brasilien, Rumänien Minen betreibt, als ihr Ziel, die Goldförderung bis 2015 auf 1,5 Millionen Unzen Gold pro Jahr zu erhöhen. Daher verstärke man auch in Griechenland die Aktivitäten. Zugleich preist sich Eldorado im Internet als „einen der kostengünstigsten Goldproduzenten“ an. Für die Aktivisten dürfte der Kampf um eine saubere Umwelt deshalb schwer werden. Sie wollen ihn aber aufnehmen. Gerade haben sie ein „Koordinationskomitee zur Bekämpfung der Minenaktivitäten“ gegründet. Die Spezialpolizei aus Thessaloniki wird wohl noch öfter ausrücken müssen.
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