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http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/mensch/tid-25459/goldminen-in-griechenland-knueppelbewehrter-kampf-unter-nachbarn–_aid_735059.html
Blutiger Konflikt auf Chalkidiki

Kanadier beuten griechische Goldminen aus

Dienstag, 10.04.2012, 12:08 · von FOCUS-Redakteur

Reuters Goldabbau vergiftet die Umwelt
Ein kanadisches Minenunternehmen baut in Griechenland Gold ab. Das Geld fließt aus dem Land, zurück bleibt Zerstörung. Die Anwohner bekriegen sich: Manche wollen die Natur schützen, andere arbeiten für den Minenkonzern.
Ende März gingen in Griechenland Bilder gewalttätiger Demonstrationen durch die Medien. Diesmal aber nicht vom Syntagma-Platz in Athen, sondern von der eher beschaulichen Halbinsel Chalkidiki. Dort protestierten aufgebrachte Bürger gegen den Bau von zwei Goldminen durch ausländische Konzerne. Das griechische Ministerium für Umwelt und Energie hatte zuvor grünes Licht für Vorarbeiten den Projekten Skouries und Olympias gegeben, die am nordöstlichen Ende der dreifingrigen Halbinsel liegen. Die Einwohner der Region fürchten nun, dass die noch naturnahen Wälder und die Wasserreserven dort Schaden nehmen oder gar ganz verloren sein könnten.

Betreiber der Minen sind der kanadische Bergbaukonzern Eldorado und seine griechische Firmentochter Hellas Gold. Wie die in Brüssel ansässige Umweltorganisation „Ejolt“ berichtet, heuerten die Firmen einige 100 Arbeitslose aus der Region an, denen sie angeblich 1600 Euro pro Kopf zahlen. Für die arme Landbevölkerung ist das sehr viel Geld. „Ihr erster Job: Die Demonstranten vertreiben, die den Wald und die Wasserreserven schützen wollten“, berichtet Ejolt. Tatsächlich prallten am Eingang zum Minengelände Gegner des Projekts mit knüppelbewehrten Firmenmitarbeitern zusammen, die Unterstützung von einer Spezialeinheit der Polizei erhielten. Dabei wurden 15 der Demonstranten verletzt, einer von ihnen schwebt laut Ejolt in Lebensgefahr.

Knechte ausländischer Konzerne

Handgreifliche Auseinandersetzungen gab es auch im nahen Ort Ierissos. Dort hatten Bürgermeister Christos Pachtas und sein Stellvertreter Vassilis Moschopoulos in lokalen und nationalen Medien die Naturschützer nach bekanntem Muster als „ausländische anarchistische Elemente“ und „Ökologisten“ beschimpft. Die aufgebrachten Dorfbewohner setzten die beiden daraufhin im Rathaus fest und warfen ihnen vor, als „Knechte ausländischer Konzerne“ den Ausverkauf der Schätze des Landes zu betreiben. Ihre Heimat werde dabei durch die Rückstände der Goldproduktion zu einer Giftmülldeponie.

Wiederum rückten Polizei-Sondereinheiten aus Thessaloniki an und versuchten im Verein mit den Minenarbeitern mittels Reizgas, Gummigeschossen und Blendgranaten die Menge der bis zu 2500 Demonstranten – darunter alte Leute und Kinder – zu zerstreuen. Als dies nicht gelang, schalteten die Behörden in Ierissos den Strom ab.

Gold, Silber, Erdöl: Griechenland ist reich an Bodenschätzen

In der Region spaltet der Konflikt um die Minen nicht nur die Dorfbevölkerung, sondern auch ganze Familien. So kommt es vor, dass der Sohn für Hellas Gold arbeitet, die Mutter aber für eine intakte Natur streitet. Die Naturschützer von Ejolt und auch das kritische britische Wirtschaftsforschungsinstitut Runnymede konstatieren dahinter aber tiefer gehende Ursachen, die unmittelbar mit der Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun haben, die Griechenland seit Monaten im Griff hält.

„Das Land ist übersät von Gold, Silber und anderen gefragten Mineralien, die die Welt regieren, einschließlich Erdöl“, urteilt der Runnymede-Experte Nick Meynen. „Es ist fast spaßig, dass dies niemand erwähnt, wenn in den Medien über die Schulden des Landes diskutiert wird, von denen sowieso niemand erwartet, dass sie zurückgezahlt werden.“ Bei den in Griechenland praktizierten privat-öffentlichen Partnerschaften handle es sich „um die gleiche betrügerische Masche, die öffentliches Vermögen von seinen rechtmäßigen Besitzern in die Taschen der Eliten lenkt.“

Wald und Wasser privatisieren

Tatsächlich drängen die EU sowie der Internationale Währungsfonds (IWF) die griechische Regierung, öffentliche Güter wie die Wälder und das Wasser zu privatisieren. Oft gehen sie zu Schleuderpreisen an große Konzerne. Bereits im Februar 2001 hatte sich ein griechischer Abgeordneter des Europaparlaments nach der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Projektierung der Goldminen auf der Chalkidiki-Halbinsel und den durch den Abbau-Betrieb drohenden Umweltschäden erkundigt. „Doch die EU antwortete nur mit der Aufforderung, den Verkauf der öffentlichen Güter zu beschleunigen“, klagt Ejolt. „In Griechenland wird die Krise nicht genutzt, um eine auf Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beruhende Gesellschaft zu formen.“ Das mit dem Abbau der Bodenschätze verdiente Geld fließe aus dem Land, mit ausländischen Konzernen als Profiteure. Der Dreck aber bleibe im Land und die Griechen blieben auf den langfristigen Kosten der Umweltzerstörung sitzen.

Die dürften erheblich werden. Dem Branchendienst „Goldinvest“ zufolge soll die Goldförderung im Projekt Olympias noch im zweiten Quartal 2012 beginnen. Im laufenden Jahr sollen dort 350 000 Tonnen Gestein zermahlen werden. Es enthält 49 000 Tonnen Pyritkonzentrat, in dem sich wiederum 20 Gramm Gold je Tonne befinden. Das heißt, aus der gewaltigen Erzmenge lassen sich nur 980 Kilogramm des Edelmetalls gewinnen.

Skouries und Olympias sind erst der Anfang

Eldorado und Hellas Gold begannen mit Bohrungen für eine Reihe weiterer Minenprojekte, darunter Perama Hill im griechischen Landesteil Thrakien und Piavitsa nahe Olympiadas. „Insbesondere in Perama wird das Leben der Einwohner zur Hölle werden“, fürchtet die Bürgerinitiative „Hellenic Mining Watch“. „Das könnte sie veranlassen, ihre Dörfer zu verlassen, ohne Entschädigung durch den Konzern. Denn dort ist die Mine nur 500 Meter vom Ort entfernt. Die Sprengungen lassen jeden Tag die Häuser erzittern, und Staub sowie giftige Dämpfe aus den Becken mit Gesteinsschlamm machen den Menschen zu schaffen.“ Landwirtschaft und Viehzucht würden schwer beeinträchtigt.

Hinzu kommt die Gefahr, dass toxische Abwässer, die Schwermetalle und Zyanid enthalten, die Region verseuchen und in die Gewässer gelangen. Das hoch giftige Zyanid nutzen die Bergbaufirmen zur so genannten Haldenlaugung: Das goldhaltige Erz wird aus dem Berg gesprengt, zermahlen und zu einer Halde aufgeschüttet, die am Boden mit einer Plastikplane abgedichtet ist. Eine Sprinkleranlage berieselt die Halde von oben mit einer Zyanidlösung, die das Gold aus dem Gestein löst. In einer weiteren chemischen Prozessstufe wird das Gold wieder vom Zyanid getrennt, das nun in großen Absetzbecken zurück bleibt.

Die Abbaumethode ist billig und gefährlich

Diese Methode ist zwar kostengünstig, aber gefährlich, wie unter anderem die Umweltkatastrophe zeigt, die sich vor zwölf Jahren nahe der rumänischen Stadt Baia Mare ereignete. Dort war der Damm eines mit Zyanidlauge und schwermetallhaltigem Schlamm gefüllten Abwassersees der australisch-rumänischen Goldfabrik Aurul gebrochen. Die Giftflut überschwemmte die Felder der Region, ergoss sich in den Fluß Sasar und von dort weiter in die Theiss und die Donau. Hunderttausend Tonnen sollen es gewesen sein. Zahlreiche Ökosysteme wurden zerstört, 1400 Tonnen an toten Fischen wurden gezählt, viele Fischer wurden arbeitslos, und in umliegenden Städten gab es massive Probleme mit der Trinkwasserversorgung. Noch heute sind die Felder der Region verseucht.

All dies sei nur möglich, so die griechischen Minenbeobachter, weil die Konzerne wie die Kolonialherren auftreten können und immun bei Gesetzesübertretungen seien, aus Gründen des „nationalen Interesses“. Weil in den Bergbauregionen andere wirtschaftliche Aktivitäten nicht möglich seien, fehle es an alternativen Entwicklungen wie archäologischem oder ökologischem Tourismus, auch die Infrastruktur werde vernachlässigt.

Ausbeutung öffentlicher Güter

„Man könnte meinen, diese Geschichte spielt in Lateinamerika“, kommentiert die griechische Bürgerrechtsorganisation „Kinisi136“, die sich dem Kampf gegen die Verschleuderung öffentlicher Güter verschrieben hat. Zu den Projekten, gegen die sie angeht, gehört auch die geplante Privatisierung der Wasserversorgung von Thessaloniki. „Was ist der Unterschied zu den Vorgängen in Bolivien, Argentinien und Mexiko? Wir sagen: keiner. Es ist der gleiche Kampf, den wir mit den Menschen teilen, die ihre natürlichen Güter gegen die Ausbeutung durch Privatfirmen verteidigen“.

Hier wie dort, argumentiert Kinisi136, geraten die Regierungen hoch verschuldeter Länder unter die Fuchtel des IWF, der strengste Sparsamkeit und neoliberale Maßnahmen verordnet. Die Folge sind Rezession, Arbeitslosigkeit und wachsende Armut in der betroffenen Bevölkerung. Zugleich werden als „Erlösung“ Investments internationaler Konzerne in Aussicht gestellt, die Wachstum und Arbeitsplätze bringen sollen.

Geld rausziehen, Land verwüsten

Einmal im Land, würden die Firmen dann das Blaue vom Himmel versprechen und lügen sowie ihre Arbeiter und teilweise auch Söldner auf Betroffene hetzen, wenn die sich gegen Enteignungen und Privatisierungen wehren. So sei in Mexiko Bernardo Vásquez Sánchez, Sprecher der „Koalition der Vereinigten Dörfer des Ocotlán-Tals“ von Unbekannten erschossen worden. Die Dorfbewohner hatten gegen das Umleiten der öffentlichen Wasserversorgung in die Silbermine Cuzcatlán der mexikanischen Niederlassung des kanadischen Bergbauunternehmens Fortuna Silver demonstriert. „Was sie ,Entwicklung´ nennen, ist nichts anderes als die Umwandlung von Wäldern, Stränden, Straßen und Wasserreserven in vermarktbare Güter, die dann nicht mehr öffentlich zugängig sind“, resümiert Kinisi136. Im Gegenzug entstehen oft nicht einmal eine Handvoll Arbeitsplätze. Für die Einrichtung der Mine von Olympias und den Bau der Infrastruktur beispielsweise werden 150 Arbeiter benötigt. Im folgenden Betrieb sinkt die Zahl der Beschäftigten auf wenige Dutzend.

Nach Ende der Bergbauaktivitäten lassen die Konzerne dann verwüstete und ausgeräumte Landschaften zurück. Beliebt ist auch der Trick, lokale Tochtergesellschaften, die für die Beseitigung der Folgeschäden verantwortlich wären, in den Konkurs zu schicken. So geschah es auch in Baia Mare. Um Entschädigungszahlungen zu vermeiden, meldeten die Besitzer für ihre Betreiberfirma Aurul Konkurs an – nur, um kurz darauf unter neuem Namen weiter zu machen. Die Trickserei hatte Erfolg: 2008 verlor der ungarische Staat einen Prozess gegen Aurul mit der Begründung, es gebe keinen juristisch Verantwortlichen mehr. Auch die Geschädigten vor Ort gingen leer aus.

Kostengünstige Goldförderung ohne Rücksicht auf Verluste

Eine ähnliche Entwicklung, argwöhnen die Naturschützer, könne es auch in Griechenland geben. Sicher ist, dass der Bergbaukonzern Eldorado an allen Ecken und Enden spart. Laut Goldinvest verkündete die Firma, die auch in der Türkei, China, Brasilien, Rumänien Minen betreibt, als ihr Ziel, die Goldförderung bis 2015 auf 1,5 Millionen Unzen Gold pro Jahr zu erhöhen. Daher verstärke man auch in Griechenland die Aktivitäten. Zugleich preist sich Eldorado im Internet als „einen der kostengünstigsten Goldproduzenten“ an. Für die Aktivisten dürfte der Kampf um eine saubere Umwelt deshalb schwer werden. Sie wollen ihn aber aufnehmen. Gerade haben sie ein „Koordinationskomitee zur Bekämpfung der Minenaktivitäten“ gegründet. Die Spezialpolizei aus Thessaloniki wird wohl noch öfter ausrücken müssen.

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